Die Daten aus Google Trends zu deuten ist nicht einfach.
Gemeinsam werfen wir einen Blick in das Tool und ich zeige dir, wo die häufigsten Fehler beim Auswerten der Daten liegen.
Inhaltsverzeichnis
Das Wichtigste in Kürze zusammengefasst:
Für die Erfassung von Veränderungen im Nachfrageverhalten ist Google Trends gut geeignet. Allerdings müssen die Daten richtig interpretiert werden. Wenn dir das gelingt, wirst du in der Lage sein, bessere Entscheidungen zu treffen.
Wie funktioniert Google Trends?
Um zu verstehen, wo die Probleme liegen, ist es wichtig zu wissen, welche Datenquellen für Google Trends verwendet werden, wie diese Daten aggregiert (oder nicht aggregiert) werden und wie die Ergebnisse präsentiert werden.
Datenquellen
Google spricht im eigenen Hilfe-Artikel davon, dass es sich bei Daten in Google Trends um eine weitgehend ungefilterte Stichprobe realer Suchanfragen handelt. Außerdem seien die Daten anonymisiert, kategorisiert und zusammengefasst. Zwei Dinge, die wir uns notieren sollten:
- Es geht um eine Stichprobe
- Die Daten werden (teilweise) zusammengefasst
Laut Google ist die Stichprobe repräsentativ, weil eine ausreichend große Datenmenge verwendet wird. Vollständige Daten könnten nicht mehr verarbeitet werden.
Aggregation der Daten
Aufgrund bestimmter Filterungen und der Tatsache dass es sich “nur” um eine Stichprobe handelt, können die Daten nicht als vollständig bezeichnet werden. Unter anderem filtert Google folgende Daten heraus:
- Suchanfragen mit kleinem Suchvolumen
- Doppelte Suchanfragen innerhalb eines kurzen Zeitraums
- Sonderzeichen
Bei der Suche nach einem bestimmten Begriff, können zusätzlich die Region, der Zeitraum, eine Kategorie und die Art der Suche (z.B. im Web, Bilder, News, etc.) angegeben werden. Die angezeigten Ergebnisse spiegeln dann das Suchinteresse mit diesen Parametern wider.
Präsentation der Ergebnisse
Die ausgegebene Kurve enthält verschiedene Datenpunkte mit Werten von 0 bis 100, wobei Google die Anzahl der Suchanfragen für den Begriff im Verhältnis zur Anzahl aller Suchanfragen bei Google berechnet.
Daraus lässt sich folgende Aussage ableiten: Die Daten sind nicht absolut, sondern relativ. Das bedeutet, dass ein Begriff zwar an Popularität verlieren kann, dies aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass der Begriff auch weniger gesucht wird. Die eigentliche Bedeutung ist: Relativ im Verhältnis zu allen Suchanfragen verliert der Begriff gerade an Popularität.
Da sich die Fehlinterpretationen vor allem auf den Graphen “Interest over time” beziehen, wird an dieser Stelle darauf verzichtet, auf weitere in Google Trends zur Verfügung gestellte Graphen einzugehen. Wer mehr dazu lesen möchte, kann dies im entsprechenden Google News Initiative Beitrag tun.
Welche Grenzen und Fallstricke hat Google Trends?
An dieser Stelle möchte ich auf einen hervorragenden Artikel von Tom Alby verweisen, der die Grundlage für die von mir dargestellten Grenzen und Fallstricke bildet. Tom hat bereits vor einigen Jahren auf dieses Thema aufmerksam gemacht und ich möchte seinen Artikel als Hauptquelle daher besonders deutlich hervorheben.
1. Es werden nicht alle Suchanfragen berücksichtigt
Wie bereits erwähnt, handelt es sich nur um eine Stichprobe. Diese ist nach Aussage von Google nicht klein, aber auch nicht vollständig.
Google Trends bietet Zugriff auf eine weitgehend ungefilterte Stichprobe von tatsächlichen Suchanfragen an Google.
Außerdem ist nicht bekannt, ab wann ein Begriff populär genug ist, um überhaupt grafisch dargestellt zu werden. Dies ist ein etwas anderes Bild als z.B. beim Google Keyword Planner, bei dem bekannt ist, ab wann ein Wert mit 0 (Suchvolumen mindestens einmal 10 Suchanfragen pro Monat in den vergangenen 12 Monaten) oder NAN (= Not A Number – Suchvolumen mindestens einmal mehr als 10 Suchanfragen pro Monat seit dem Aufkommen des Suchbegriffs) angezeigt wird.
Kernaussage: Die Daten sind weder vollständig (transparent), noch 100% genau.
2. Die Graphen bilden keine absoluten Zahlen ab
Das ist das größte und stärkste Missverständnis. Seitdem ich mich damit beschäftige, fällt es mir besonders stark auf. Sei es in Artikeln, LinkedIn Posts, Präsentationen, Fachbüchern, etc. – die Daten werden oft nicht korrekt interpretiert.
Wenn eine Kurve fällt, wird das oft damit in Verbindung gebracht, dass weniger nach diesem Begriff gesucht wird. Wenn Begriffe verglichen werden, heißt es oft “nach X wird mehr gesucht, als nach Y”. Das stimmt aber nicht.
Laut Google Trends ist das Suchinteresse an SEA deutlich größer, als an SEO. Dabei spielt es keine Rolle, ob Anführungszeichen verwendet werden oder nicht.
Schaut man sich dies im Google Keyword Planner an und vergleicht das durchschnittliche monatliche Suchvolumen der letzten 12 Monate, stellt man fest, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Es wird monatlich mehr nach SEO, als nach SEA gesucht.
Wie ist das möglich? Es handelt sich nicht um absolute Zahlen, sondern um normalisierte und indexierte Werte, bei denen das höchste Verhältnis der Suchanfragen zu einem Begriff im Vergleich zu allen Begriffen die Basis für alle anderen Werte ist – auch wenn zwei Begriffe miteinander verglichen werden. Dazu mehr in Abschnitt 4.
Kernaussage: Es geht immer nur um Trends im Suchinteresse nach Begriffe und Themen. Die (relative) Popularität kann abnehmen, was aber nicht bedeuten muss, dass auch das absolute Suchvolumen sinkt oder ein anderer Begriff mehr gesucht wird.
3. Eine Suchanfrage ist nicht gleich eine Suchanfrage
Anders als z.B. der Google Keyword Planner (der z.B. Singular und Plural aggregiert) und andere SEO Tools aggregiert Google Trends oft andere Begriffe als nur den eingegebenen. Dies ist problematisch, da eine Eingabe wie Exact Match (= genau passend) nicht möglich ist.
Man kann zwar Anführungszeichen verwenden, dies würde aber auch nicht nur den gewählten Begriff ausgeben. Dasselbe gilt auch für Themen. Diese werden bei der Eingabe in die Suchmaske vorgeschlagen. Welche Begriffe zu einem Thema gehören, ist leider nicht ersichtlich.
Kernaussage: Wenn Begriffe aggregiert werden, weiß man nicht welche es sind. Auch bei Themen ist nicht klar, welche Begriffe alle zu einem Thema gezählt werden.
4. Nur weil eine Kurve steigt, heißt das nicht automatisch, dass mehr gesucht wurde
Die Basis für alle Werte ist der Punkt mit dem höchsten Suchinteresse.
Was bedeutet das genau? Die Werte im Grahpen ergeben sich aus einem zweistufigen Prozess:
- Normalisierung
- Indexierung
Die Normalisierung setzt das Suchvolumen des ausgewählten Begriffs ins Verhältnis zum Suchvolumen aller Begriffe (im ausgewählten Zeitraum für den ausgewählten Ort). Der Punkt, an dem das Verhältnis am größten ist, ist der Punkt mit dem größten Suchinteresse.
[Suchvolumen für den ausgewählten Begriff / Suchvolumen aller Begriffe]
Die Indexierung ist dann die Ableitung der Werte von 0 bis 100, wobei der Punkt mit dem größten Suchinteresse die 100 erhält. Alle anderen Werte werden auf dieser Basis berechnet. Dadurch wird auch klar, warum es so schwierig ist, Google Trends Daten richtig zu interpretieren.
Warum ist das insgesamt problematisch? An einem Tag kann sich das Suchvolumen aller Begriffe ändern, nicht aber das des analysierten Begriffs. Die Kurve verändert sich also, obwohl der Begriff gleich oft gesucht wurde. Zu beachten ist auch, dass es für jeden gewählten Zeitraum ein Maximum von 100 gibt. Das heißt der Punkt des größten Suchinteresses wird für jeden betrachteten Zeitraum neu berechnet.
Zeiträume können also nicht miteinander verglichen werden, da es immer eine neue Basis gibt und jeder Graph an einer anderen Stelle einen Wert von 100 ausgibt.
Außerdem ist zu beachten, dass der betrachtete Zeitraum eine große Rolle spielt, wenn verschiedene Begriffe miteinander verglichen werden. Hier gilt das Zitat:
Glaube nie einer Statistik, wenn du sie nicht selbst gefälscht hast.
Durch die Festlegung eines bestimmten Zeitraume kann suggeriert werden, dass etwas populärer oder weniger populär ist.
Kernaussage: Die Graphen müssen mit großer Vorsicht interpretiert werden, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.
5. Ohne Kontext ist Google Trends wertlos
Es ist wichtig zu wissen, in welchem Kontext sich z.B. das Suchverhalten für einen Begriff oder allen Suchbegriffe verändert hat. Tom Alby nennt hier z.B. Wettereinflüsse oder wichtige Fußballspiele.
Weitere naheliegende Beispiele sind der Ukraine-Krieg, die Corona-Pandemie, Aussagen von Elon Musk zu Kryptowährungen oder auch Pizza-Lieferdienste, die in Videos von Andrew Tate zu sehen sind.
Offensichtliche Beispiele:
Der Ukraine-Krieg hat Anfang 2022 begonnen, das wissen wir alle. Es ist hier also klar, warum das Suchinteresse im April 2022 besonders hoch war.
Auch hier wird hier deutlich, dass die Corona-Pandemie zu einer Nachfrageveränderung geführt hat. Der Begriff hat vor allem in den Herbst- bis Wintermonaten Aufschwung bekommen, da es (zumindest in Deutschland) vermehrt Präventionsmaßnahmen gab und mehr über dieses Thema berichtet wurde.
Ein weniger offensichtliches Beispiel ist Jerry’s Pizza. Wie kam es denn Ende 2022 zu diesem starken Anstieg?
Das hatte mit der Verhaftung von Andrew Tate zu tun. In den sozialen Medien kursierte hier das Gerücht, dass der rumänische Pizzakarton (von Jerry’s Pizza) der Polizei den Hinweis gegeben habe, dass Tate in Rumänien sei.
Kernaussage: Der Kontext spielt also bei allen Beispielen eine Rolle. In manchen Fällen liegt er auf der Hand, in anderen Fällen nicht.
6. Es wird nicht nur auf Google gesucht
Es ist wichtig im Hinterkopf zu behalten: Es wird nicht nur bei Google gesucht, sondern auch bei Amazon und z.B. TikTok. Schon vor einigen Jahren wurde darüber berichtet, dass Google Produktsuchen an Amazon verliert. Mittlerweile sollen 60% der Online Shopper zuerst auf Amazon nach einem Produkt suchen.
Zu TikTok (und Instagram) gab es gerade in der zweiten Jahreshälfte 2022 von Prabhakar Raghavan (Senior Vice President bei Google) ein Statement:
In our studies, something like almost 40% of young people, when they’re looking for a place for lunch, they don’t go to Google Maps or Search, they go to TikTok or Instagram.
Diese Aussage wird oft verzerrt zitiert. Die Hauptaussage ist nicht “Gen Z sucht lieber auf TikTok und Instagram als auf Google”, sondern
Ein großer Teil (40%) der Gen Z sucht in bestimmten Fällen lieber auf TikTok und Instagram als auf Google.
Ein kleiner aber feiner Unterschied.
Neben der klassischen Google Suche gibt es YouTube, Pinterest und seit Ende 2022 das starke Aufkommen an KI-Lösungen, wie dem “new Bing”, das auf aktuelle Informationen im Web zugreifen kann und viele andere Angebote. Abseits von Google Trends gibt es seit Oktober 2022 auch Pinterest Trends, um spannende Themen zu entdecken und möglichst früh aufkommende Trends abzuleiten.
Kernaussage: Auf Google wird viel aber nicht ausschließlich gesucht.
Auswirkungen, wenn Google Trends Daten falsch interpretiert werden
Kritisch wird es dann, wenn die falsche Interpretation von Google Trends Daten dafür genutzt wird, wichtige Entscheidungen zu treffen. Auch wenn versucht wird, die eigene Argumentation zu stützen, kann einen das schnell einholen. Es empfiehlt sich daher immer, unterschiedliche Datenquellen heranzuziehen und die Werte zu vergleichen, zu interpretieren, etc.
Beispielsweise wenn ein neues Produkt auf den Markt gebracht werden soll und man versucht herauszufinden, ob Menschen tendenziell eher Begriffe wie [günstig, preiswert, billig] oder [gut, beste, qualitativ] bevorzugen. Bei dieser Betrachtung ist Google Trends keine gute Quelle. Es kommt auf so viele Faktoren an, die hier nicht erkennbar sind, wie z.B. die angepeilte Zielgruppe, reales Suchvolumen (= Nachfrage) und welche Begriffe jeweils aggregiert wurden.
Einfach gesagt: Wenn ich die Daten nicht richtig interpretiere, ziehe ich falsche Schlüssen und habe eine schlechtere Entscheidungsgrundlage.
Um gute Entscheidungen zu treffen und richtige Schlüsse zu ziehen, müssen folgende Dinge meiner Meinung nach gegeben sein:
- Möglichst vollständige Informationen
- Wissen darüber, wie die Daten aggregiert wurden
- Objektive Interpretation der Daten
Wofür kann man Google Trends (gut) verwenden?
Neben den ganzen Fallstricken hat Google Trends aber natürlich auch sehr positive Seiten.
Google ist Marktführer. Daher ist die These, Google Trends zu nutzen, um relativ allgemeingültige Aussagen zum Suchinteresse ableiten zu können, nicht vollkommen abwegig. Wenn man sich mit den Limitationen und Anwendungsgrenzen vertraut macht und die Daten korrekt interpretiert, sind folgende Anwendungsfälle empfehlenswert:
- Trendentwicklungen erkennen
- Auswirkungen von kurzfristigen Ereignissen auf die Suchpopularität ableiten
- Interessante Keywords finden (mit Hilfe des Top und Rising Data Reports)
- Geografische Auswirkungen von Ereignissen auf das Suchverhalten untersuchen
- Ableitung von geeigneten saisonalen Marketing-Maßnahmen
Vor allem der erste Punkt ist auch genau das, wofür das Tool entwickelt wurde. Trends erkennen. Also eine Veränderung im Suchverhalten zu bestimmten Zeitpunkten und/oder in bestimmten Ländern auf der Welt.
Google Trends: Top oder Flop?
Mit einer der größten Upsides gegenüber anderen Tools ist die Datenaktualität. Auch bei Google Trends gibt es minimale Verzögerungen. Aber kein anderes Tool ist in der Lage, so aktuelle Daten zu liefern.
Wenn man sich SEO-Tools anschaut, dauert es hier häufig Wochen oder Monate bis aktuelle Daten zu aktuellen Ereignissen eintrudeln. Gerade als es Ende 2022 mit ChatGPT & Co. losging, hatte unter anderem SEMRush für einige Wochen keine Daten zum Suchvolumen zur Verfügung gestellt.
Mein Plädoyer ist, die Ausgaben der Tools korrekt zu interpretieren und sich mit der Aussagekraft der gelieferten Daten vertraut zu machen. Das gilt nicht nur für Google Trends, sondern auch für andere Tools. SEO-Tools, die Suchvolumen ausgeben, sind schließlich auch nur eine Annäherung an die Realität. Diese Limitierungen sind weitläufig bekannt und werden beachtet.
Das zentrale Problem von Google Trends ist vermutlich der leichte Zugang. Es gibt in der Applikation zwar ein paar Hinweise, wie die Daten zu interpretieren sind, das reicht aber nicht aus. Vor allem dann nicht, wenn die Daten in wissenschaftlichen Studien oder im professionellen Berufskontext verwendet werden.
In der Welt der Daten gilt es stets, nicht nur die Zahlen zu betrachten, sondern auch ihre Herkunft und Interpretation – denn nur so können wir sicherstellen, dass wir nicht nur die Daten verstehen, sondern auch die Wahrheit, die sich dahinter verbirgt.
FAQ zu Google Trends
Kurz gesagt: Mit Google Trends lässt sich das Suchinteresse an bestimmten Suchbegriffen, Themen und Entitäten abschätzen bzw. Trends erkennen.
Daraus ergeben sich vielfältige Anwendungsfälle, da sowohl unterschiedliche Länder, Zeiträume, als auch unterschiedliche Begriffe miteinander verglichen werden können. Anhand historischer Daten können Rückblicke in die Vergangenheit getätigt werden, was dabei hilft, Langzeitentwicklungen analysieren zu können.
Aufgrund der Datenaktualität können aber genauso auch tagesaktuelle Entwicklungen wie z.B. politische Ereignisse und Events hinsichtlich einer Nachfrageentwicklung betrachtet werden.
Google Trends ist kostenlos, yay. Was du aber brauchst ist ein Google Account. Das ist aber schnell erledigt!
Die 100 ist der Datenpunkt mit dem höchsten Suchinteresse bzw. der höchsten Suchpopularität. Alle anderen Werte werden basierend auf diesem Wert berechnet, so dass für jeden Zeitraum den du dir anschaust, ein neuer Wert mit 100 herauskommt.
Auch wenn du zwei Begriffe vergleichst, wird das höchste Suchinteresse dafür genutzt, die Kurve bzw. den Graphen des anderen Begriffs zu berechnen.